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Visionen vom Sehen und Wahrnehmen…

DOUBLE VISION. Albrecht Dürer / William Kentridge. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Eine doppelte Vision von Sehen, Wahrnehmen, Sichtweisen und vielem mehr war bis Anfang Januar 2017 in der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe zu sehen. Die Ausstellung vereinte in einer permanenten Gegenüberstellung Vergangenheit und Gegenwart. Gegenüber standen sich mit einer 500-jährigen Divergenz die beiden Künstler Albrecht Dürer (*1471 Nürnberg – † 1528 Nürnberg) und William Kentridge (* 1955 Johannesburg). Dürer als Unterstützer des imperialen Systems, der Macht des Hauses Habsburg und Kaiser Maximilian I. und Kentridge, Sohn einer jüdischen Familie, aufgewachsen in Südafrika und Kämpfer gegen die Apartheid. Gleich im zweiten Ausstellungsraum stehen sie sich mit monumentaler Überwältigungsästhetik gegenüber: die »Ehrenpforte« Dürers und »Remembering the Treason Trail« von Kentridge. Diese wurden theatralisch potenziert an den jeweiligen kurzen Endwänden eines langen schmalen Raumes positioniert, und zur vergleichenden Betrachtung freigegeben.
Gezeigt wurde im Ausstellungsverlauf nicht ausschließlich der Antagonismus zweier Künstler in Abhängigkeit ihrer Herkunft, kulturellen, politischen, regionalen Hintergründe, sondern eben auch die Schmelzpunkte trotz der trennenden Faktoren, wie die Auseinandersetzung mit den Sehgewohnheiten, mit Perspektive, mit Wahrnehmung und mit formalen Ausdrucksmöglichkeiten. Die vergleichende Basis wurde dabei in ihrer Schwarz-Weiß-Technik gesetzt. So standen sich ca. 110 Werke vergleichend gegenüber. Dabei stammten die Werke Dürers zu einem großen Teil aus den eigenen Beständen des Kupferstichkabinetts der Kunsthalle und wurden komplimentiert aus den Sammlungsbeständen Kentridges und weiteren Leihgebern. Nun lag es am Rezipienten die Ausstellung, welche in sieben Themenbereiche gegliedert war, auf inhaltliche, mediale und auch ästhetische Ebene zu vergleichen.

Striff man nun als Besucher durch die Ausstellung, wurde einem schnell gewahr, wo die Gegensätzlichkeiten in den Arbeiten Dürers und Kentridges zu finden sind. Ging es Dürer mehr, um das begreifen und später in seiner Erstellung von Lehrbüchern, um das Greifbar machen von Perspektive, vom hochkomplexen Sehvorgang, von Wahrnehmung; operiert, spielt und fordert Kentridge diese Erkenntnisse eher heraus. Arbeitet Dürer in seinen Formen der Darstellung mit normativen Methoden, nutzt Kentridge apparative Hilfsmittel, wie das Stereoskop oder Spiegelglaszylinder, um den Sehvorgang per se zu thematisieren. Kentridge fordert somit den Betrachter auf, über den automatisierten natürlichen Sehvorgang zu reflektieren. Er macht dem Betrachter seinen Anteil an Seherfahrungen deutlich. Beide zeigen die Abhängigkeit der Wahrnehmung vom individuellen Standpunkt auf und führen den Rezipienten so zu einer bewussten Reflexion des eigenen Blickwinkels. Besondere Intensivierung erfährt dieser Vorgang im dritten Ausstellungsraum »Perspektiven Eröffnen«. Hier erfährt der Besucher in praktischer Umsetzung, wie Sehen funktioniert. Während man durch ein Stereoskop auf zwei identische Fotogravuren Kentridges blickt, verschmelzen diese innerhalb unserer Wahrnehmung nach einem kurzen Moment des inne Haltens und Verarbeitens zu Einem (z.B. »Eine Katze im Fleischgeschäft« Kentridge 2007). Vor dem inneren Auge eröffnet sich ein räumliches Bild, bei dem sich die dargestellten Gegenstände eindeutig voneinander abheben. Dürer beschäftigte sich 500 Jahre zuvor ebenfalls mit der Thematik der visuellen Wahrnehmung und der Frage nach der Konstruktion von Bildperspektive. So veröffentlichte er 1525 ein Lehrbuch mit Grafiken für humanistische Künstler. Das Buch »Unterweisung der Messung« enthielt seine Theorie zum Sehvorgang, die bereits in Ansätzen seit der Antike bestand. Dürer selbst lernte sie bei einer Italienreise kennen, verfeinerte sie und wurde erfuhr schlussendlich durch ihn Verbreitung nördlich der Alpen. Der grundlegende Inhalt bestand darin, dass das Auge als zentrales Medium fungiert, indem sich die verschiedenen Sehstrahlen bündeln. Er unterwies Künstler über korrekte Darstellungsformen der sichtbaren Welt und stellte verschiedene Zeichenmethode vor. Innerhalb der Ausstellung verweisen Grafiken Dürers, wie »Der Zeichner des weiblichen Modells« (1538), »Der Zeichner der Kanne« (1538), u.a.m. mit welchen technischen Hilfsmitteln, wie Glasplatte oder Raster, man Zentralperspektive konstruieren kann.

Doch kann man sich stets sicher sein, bei dem was man sieht? Ist das Gesehene eineindeutig? Bekommt das gleiche Sehbild beim zweiten Hinblicken eine zusätzliche oder gar ganz differente Bedeutung? Diese Thematik wird ebenfalls von beiden Künstlern behandelt und im Raum für »ungewisses Sehen« dem Besucher offenbart. Bei Albrecht Dürer handelt es sich um die Möglichkeit der Doppeldeutigkeit innerhalb konkreter Formen. So können im ersten Blick verwitterte Felsen, sich ebenso zu zerknautschten Kissen umformen oder Felsen werden zu pausbäckigen Grimmassen (z.B. »Der weise Hieronymus in der Wüste« Dürer um 1496). William Kentridge hingegen nutzt die Unbestimmtheit seiner Formen, um beim Betrachter Assoziationen auszulösen. Daher ist man sich bei den Werken »Drei Schatten« (2003) oder »Lastentransport« (2000) unschlüssig, ob es sich bei den schemenhaften schwarzen Gestalten ausschließlich um Formen oder doch Menschen bzw. menschenähnliche Gestalten handelt.

Festzuhalten gilt, dass Kentridge Arbeitsmethode stark an die Neuzeit gebunden ist, was im besonderen Maße an seiner Verwendung der Stopp-Motion-Technik sichtbar wird. Diese zeigt sich sowohl in seinen Bildfolgen, wie »Ubu sagt die Wahrheit« (1996/97), als natürlich in dem Medium des Films selbst, aus dem es herrührt und das ebenfalls eine von Kentridge oft genutztes Verfahren ist, um mit der menschlichen Wahrnehmung zu experimentieren. Im Rahmen der Ausstellung findet man diese im Animationsfilm »Felix im Exil« (1994).
Dürer hingegen, seiner Zeit noch nicht im Bewusstsein der Möglichkeiten von bewegt Bildern, widmet sich mit beinah unfehlbarer Akribie den ungemein vielfältigen hell-dunkel Schattierungen. Mit einer Mannigfaltigkeit an geschwungenen, kurzen und langen, dickeren und dünneren Linien und variablen Abständen derer zueinander, fordert er unsere Wahrnehmung heraus.

2016-12-14
On: 14. Dezember 2016
In: Allgemein, Ausstellungsbesprechungen, Blickwinkel
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