Noch schnell gesehen…
… habe ich am vergangenen Wochenende die Ausstellung Willikens Die Anmaßung der Räume und Orte in der Kunsthalle Weishaupt in Ulm. Nur selten passte die gezeigte Werkschau so gut mit der gegebenen Architektur zusammen. Es schien beinah, als würden sich Bilder und Kunsthallenarchitektur immer wieder gegenseitig reflektieren.
Ben Willikens Werkschau präsentiert, die für ihn so charakteristischen menschenleere Räume und Raumansichten mittels einer Palette an vielseitigen Graunuancen. Diese klaren Linien und den Sujets inhärenten zeitlosen und transparenten Charakter finden sich ebenso in den Räumlichkeiten der Kunsthalle Weishaupt wieder. Im November 2007 wurde diese, als neues, modernes Zentrum Ulms, für moderne und zeitgenössische Kunst eingeweiht und bietet seither eine große Ausstellungsfläche für die Privatsammlung der Familie Weishaupt. Der Besucher wird bereits vom Sophie-Scholl-Platz aus, zu diesem die 16 Meter hohe Glasfassaden-Schaufront gewandt ist, mit einem großformatigen Werk Ben Willikens gelockt. Im Empfangsbereich angekommen, nimmt sich das Ausstellungshaus wieder zurück. Die Treppe die vom Erdgeschoss zur Ausstellung führt, versteckt sich zunächst gekonnt an der rechten Seite und wirkt damit derart unaufdringlich, wie die Werke Willikens selbst. Kaum ein Farbakzent schreit nach Aufmerksamkeit, nur wenige dargestellten Gegenstände fordern dieSehgewohnheiten des Betrachters heraus, der Facettenreichtum der Grautöne wirkt beruhigend.
Doch ähnlich, wie die Treppe, die schlussendlich vom Eingangsbereich über zwei Absätze nach oben zu den einzelnen Ausstellungsräumen führt, zieht die Museumsarchitektur und die Bildarchitektur gleichermaßen den Besucher in eine Sog der unterschiedlichsten Raumwahrnehmungen. Nichts lenkt den Blick von dieser klaren Treppenhausstrucktur ab und nichts irritiert den Betrachterblick in den Raumansichten Willikens. Als Besucher partizipiert man, aufgrund der permanenten Bezugnahme vom Ausstellungsarchitektur und Bildarchitektur, mit seinem Museumsbesuch für einen Bruchteil der Sekunde förmlich an dem Innenleben dieser sonst menschenleeren Ben Willikens Raumansichten. Alles ist in ein dezentes Grau getüncht. Was der Künstler mit dem Pinsel und Farbe schafft, wird mit dem natürlichen Spiel von einfallendem Licht und Schattenwurf von der Museumsarchitektur kreiert. Die Glasfassade lässt Licht von außen hereinfallen und bricht an einer Kante einer Wand, an einer Treppenstufe. Es entstehen Schatten in unterschiedlichstem Grau und definieren somit Raum in seiner Tiefe und Form. Willikens vermag diesen natürlichen Prozess meisterhaft einzufangen, um es auf der Leinwand für die Ewigkeit zu konservieren.
Warum sich Ben Willikens für die intensive Arbeit mit der Farbe Grau entschieden hat, erklärt er selbst immer wieder in dem aufgezeichneten Interview mit dem Kurator Götz Adriani, vormals Leiter der Kunsthalle Tübingen. Dieses Künstlergespräch wird in einzelnen Ausstellungsräumen zum mithören bereit gestellt – parat steht jeweils eine simple Sitzbank mit zwei Köpfhörern. Innerhalb des Gespräches werden die unterschiedlichen Werkreihen reflektiert, die Arbeitsweise besprochen und kommentiert, Geschichte erzählt. Es ist eine interessante und subtile Ausstellungsbesprechung, die wie das Œuvre – von dem rund 70 großformatige Werke gezeigt werden – als auch die Museumsarchitektur, völlig unaufdringlich auf den Besucher wirken kann, wenn er sich für das Zuhören entscheidet.
In den zahlreichen Besucherzahlen und der positiven Resonanz spiegelt sich diese gelungene Ausstellung wieder. Auch am Abschlusswochenende, an dem sowohl Kurator als auch Künstler nochmals anwesend waren, haben zahlreiche Besucher und Bewohner Ulms noch einmal die Gelegenheit genutzt, in unterschiedliche Raumsituationen einzutauchen. Nun bleibt nur zu hoffen, dass die darauffolgende Ausstellung Best of 10 Jahre Kunstahlle Weishaupt, sich ähnlich gelungen der Öffentlichkeit präsentieren wird.