
Da bin ich wohl selbst ins Fettnäpfchen getreten! Die Deichtorhallen Hamburg haben ein Bild auf ihrem Instagram Account gepostet aus ihrer aktuellen Ausstellung PROOF. In dieser Ausstellung werden Werke des spanischen Malers und Grafikers Francisco de Goya, des russischen Filmemachers Sergei Eisenstein und des US-amerikanischen Künstlers Robert Longo vergleichend gegenüber gestellt. Alle drei beschäftigen sich mit den kulturellen, politischen und sozialen Umständen ihrer Zeit und überführten sie in bildgewaltige Werke.
Das gepostete Bild – meine Fettnäpfchen-Falle – zeigt eine Abbildung eines Werkes dieser Ausstellung. Großformatig. Schwarz-weiß. Davor steht eine junge Frau. Ebenfalls in schwarz-weiß gekleidet. Den Rücken zum Fotografen gewandt, das abstrakte Bild im Museum betrachtend. Diese szenische Fotografie wird von den Deichtorhallen kommentiert mit: „Don’t you agree that there’s nothing better when art and pants match?“ Und nach einem Dank an den/die FotografenInn von @klubderkuenste folgt die Benennung des Werkes, das so eingehend von der Besucherin betrachtet wird. Es handelt sich um ein Werk von Robert Longo. So gut, so undramatisch! Stehen geblieben beim durch scrollen der neusten Posts, bin ich zunächst, da ich das Matching zwischen Hose der Betrachterin und dem Bild auf das eigentlich verwiesen wurde, gar nicht so treffend fand. Das Werk zeigt ein völlig abstraktes Liniengemenge voller Emotionen, Elan, Kraft, tänzerischem, vielleicht sogar Trance ähnlichem Ausbruch des Malers. Und diese Ausdruckskraft hat gar nichts gemein mit der geradlinigen, steif wirkenden, gestreiften Hose der Protagonistin, außer eben der Farbgebung. Nichts desto trotz bleibt meine Aufmerksamkeit eben genau wegen dieser Widersprüchlichkeit an diesem Post haften. Und dann les ich, dass es sich um ein Werk von Robert Longo handelt soll. Mein Hirn meldet sich erneut und schlägt Alarm: Achtung Fehler! Das ist doch nicht Longo, auf was die Museumsbesucherin da blickt. Das ist doch eindeutig Jackson Pollock. Also muss ich mich natürlich gleich mit einem Kommentar zu Wort melden und merke an, dass es sich hier um ein Missverständnis handeln muss. Die Antwort der Deichtorhallen überrascht mich dann am nächsten Tag doch. Es handelt sich definitiv um ein Werk von Robert Longo, Missverständnis ausgeschlossen! Ich staune. Dank einer weiteren Aufmerksamen TeilnehmerInn erfahre ich dann auch die Technik, die hinter dieser „Kopie“ steckt.
Natürlich war ich erst einmal peinlich berührt. Da habe ich mich selbst in aller Öffentlichkeit bloß gestellt mit meinem Nichtwissen und sowas schimpft sich studierte Kunsthistorikerin. Klar, kenne ich beide Künstler. Pollock ein wenig besser – offensichtlich! Aber von Robert Longo kannte ich bisher eben nur die überdimensionalen Kohlezeichnungen, die wie hervorragende fotografische Kopien wirken. Ich kannte allerdings nicht seine „Kopien“ von Werken anderer Künstler, wie eben hier vom us-amerikanischen Action-Painter Jackson Pollock. Und so machte ich mich gleich noch ein bisschen schlauer über Longo und über seine eigene Aussage er sei „an Image thief“.
Schlucke ich mein peinliches berührt sein hinunter, bleibt die Erkenntnis, dass Social Media doch bilden kann. Und die noch viel zu weit verbreitete Befürchtung, vor allem in der deutschen Kunstwelt, dass man mit der medialen Verbreitung von Kunstwerke und Ausstellungen Besucher eher vorzeitig mit ihrem Bilderhunger befriedigt, endgültig ad acta gelegt werden sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Isst man gut vernetzt, erfährt man viel mehr von der Kunstwelt, wird mittels innovativer Strategien auf Künstler und Ausstellungen aufmerksam und generiert so ein viel größeres Verlangen Originale zu sehen. Ich bin jetzt hungrig darauf die Ausstellung in Hamburg zu stehen und hoffe sehr, dass ich es schaffen werde bis zum 27. Mai in die Hansestadt zu reisen, um mich vom Original überzeugen können. Einen ähnlichen Anreiz hätte ein stupider Pressetext in einem Printmedium so ohne weiteres nicht erreichen können.